Karriere als Shopping-Guide

Ajesha und Bibash sind Brüder. Deren Väter Dhan und Ratna sind auch Brüder. Und die Großväter der beiden Jungs sind auch Brüder. So zumindest erklärte man mir die Familienverhältnisse. Diese sind für ‚Nicht-Nepalis‘ absolut verwirrend, für Einheimische jedoch völlig normal. Hier wird jeder, der nur einen Tropfen Blut des ‚Stammes‘ in sich trägt, als Bruder bezeichnet. Und entsprechend ist auch der Zusammenhalt.

Die Väter von Ajesha und Bibash verdienen den Lebensunterhalt für ihre Familie als Träger bzw. Bergführer. Beide sind auf den ersten Blick recht klein und zierlich. Unvorstellbar, dass diese beiden Männer bei ihren Aufträgen tagelang Lasten zwischen 20 und 35 Kilo durch die Berge schleppen. Und das oft unter schwierigsten Bedingungen in Eis und Schnee. Doch sie tun es gern für ihre Familie. Glücklicherweise hielt das Zuhause der Familie dem Erdbeben stand. Und dennoch haben sie alle unter dessen Folgen zu leiden.

Viele Touristen und Expeditionen haben ihre Reisen nach Nepal storniert, dementsprechend rückläufig sind auch die Aufträge und der Verdienst der Träger und Bergführer. Normalerweise ist jetzt Hochsaison in dem kleinen Himalaya-Staat… normalerweise.

Ein Grund mehr, die Familien unserer Patenkinder zu unterstützen. Ich hatte mich schon einige Tage zuvor mit Dhan und Ratna in Tashis Büro getroffen, um alles mit ihnen zu besprechen und uns für Samstag zum Einkaufen mit den Kindern zu verabreden. Damals ahnte ich noch nicht, auf was ich mich eingelassen hatte. Während an den anderen Wochentagen der Local-Markt in Asan bereits überlaufen wirkt, herrscht samstags Ausnahmezustand. Dieser Tag ist ‚Holiday‘ und es scheint so, als hätte sich ganz Kathmandu in diesen engen Gassen zum Einkaufen verabredet.

Weder Dhan noch Ratna, geschweige denn die Kinder, kannten sich in der Gegend aus. Mittlerweile war ich oft genug in den engen Gassen von Asan unterwegs, um die Rollen zu tauschen und selbst den Guide zu spielen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was dort los war. Ajesha und Bibash krallten sich an ihren Vätern fest, die ihrerseits versuchten, mir zu folgen. Hatten wir dann endlich ein Geschäft gefunden, wo es die gewünschten Sachen gab, ging es erstmal richtig los. Am lustigsten war es beim Schuhkauf. Ein riesiger Berg mit den unterschiedlichsten Schuhen in allen Farben, Formen und Größen türmte sich vor einem Laden auf. Hatten die Jungs ein Modell gefunden, was ihnen passt, so galt es, sich durch den Berg zu wühlen, um das passende Gegenstück zu finden. Hatten sie es endlich gefunden, wurden die Schuhe von den Vätern auf Herz und Nieren geprüft und auf den Haufen zurückgelegt, um die Kaufentscheidung zu überdenken. Dort gingen sie natürlich in wenigen Sekunden im Gewühl unter und das Spiel begann von vorn. Meine Geduld und Gelassenheit wurde auf eine harte Probe gestellt… auf eine verdammt harte!

Ajesha und Bibash haben mich jedoch wahrlich übertroffen. Es hat mich echt überrascht, wie geduldig und genügsam die beiden Jungs waren. Viel Gelegenheit für ein persönliches Gespräch hatte ich aufgrund der sprachlichen Barriere leider nicht. Aber ein Lächeln ist in jeder Sprache dasselbe und so hatten wir viel Spaß mit kleinen Neckereien.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit verabschiedeten wir uns voneinander und die ‚4 Jungs‘ machten sich stolz und überaus dankbar auf den Heimweg. Ihr werdet euch sicher wundern, dass hier nie die Mütter der Kinder aktiv werden. Auch das ist in Nepal normal. Während die Frauen sich um den Haushalt, die Organisation der verschiedenen Zeremonien und meinst noch um die Großeltern kümmern, repräsentieren die Männer die Familie nach außen. Aber ganz ehrlich – unter den wunderschönen Gewändern hat hier so manche Frau ‚die Hose an‘.

Die Familien von Ajesha und Bibash bedanken sich aus tiefstem Herzen bei allen Spendern für diese tolle Unterstützung. Ein besonderes Dankeschön gilt den Paten Ilona und Irene, die den beiden Jungs ermöglichen, zur Schule zu gehen.

… und hier könnt ihr nachvollziehen, was wir alles gekauft haben:

2 x Schuhe 1300 Rs. / Socken 300 Rs. / 2 x T-Shirt 500 Rs. / 2 x Anorak 4000 Rs. / 2 x Jeans 2000 Rs. / 2 x T-Shirt für die Väter 1500 Rs.

Macht alles zusammen – 9600 Rupien (ca. 90,-€)!

Die strahlenden Kinderaugen – unbezahlbar!!!!

 

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