„Rupesh hat keine Eltern mehr – jetzt seid ihr seine Mütter“ – Bei diesen Worten konnte ich meine bisher nur mühsam zurückgehaltenen Tränen nicht mehr stoppen…
Aber mal ganz von vorn! Der gestrige Tag hatte es in sich, körperlich und vor allem emotional, aber er ging ganz gut los. Ich hatte mir mit Corinna vorgenommen, die Bal Bikas Schule und das Kinderhaus in Budhanilkantha zu besuchen und Corinna mit ihrem Patenkind Rupesh bekannt zu machen. Wir hatten Glück und konnten die ganze Strecke mit Tempo (ähnlich TukTuk) und nem bis unters Dach beladenen Local-Bus zurücklegen.
Am Schultor wurden wir schon von Suman und der Familie des Prinzipals erwartet und mit Blumenketten und Katas willkommen geheißen. Wir durften auch mal kurz in die verschiedenen Klassenräume reinschauen. Dort saßen die Schüler der oberen Klassen an ihren Examen, so auch Rupesh. Da konnten und wollten wir natürlich nicht stören und nutzten die zwei Stunden zu einem Gespräch mit dem Prinzipal. Bei Kaffee und Obst plauderten wir über Gott und die Welt, insbesondere aber über die aktuelle Situation an der Schule und die Organisation der Patenschaften.
Als die Schüler ihre Arbeit beendet hatten, trafen wir uns mit acht unserer Patenkinder in einem separaten Raum, wo wir auch wieder mit Blütenketten und Katas begrüßt wurden. Ach, war das schön, die Kids wiederzusehn!!! Sie hatten sich prächtig entwickelt. Während Kushum und Ranju, die beiden ältesten Mädchen, noch recht schüchtern waren, nahm Phuntsok die Zeremonie ganz gelassen hin. Besonders aufgeregt war natürlich Rupesh, der seine Patin Corinna persönlich kennenlernen konnte.
Corinna wußte bereits vorher um die Notlage und wollte gern der Familie von Rupesh etwas Gutes tun. Suman erzählte uns, dass sich die Situation nach dem Erdbeben noch mehr verschärft hatte. So kaufte Corinna einen 30-Kilo-Sack Reis, der dann von den starken Jungs zu der Hütte geschleppt wurde.
Über schmale, teilweise matschige Pfade erreichten wir dann die ärmliche Hütte, in der Rupesh mit seinen Großeltern lebt. Der Teil des Steinhauses, den die 3 zuvor bewohnt hatten, ist seit dem Erdbeben instabil. Die Hütte ist eine waghalsige Konstruktion aus Bambusstangen, Wellblech und Plastikfolie. Darin auf engstem Raum zwei Schlafstätten und ein Küchenschrank. Schon auf dem Weg dahin hatte ich ein beklemmendes Gefühl, dass nun den Kloß im Hals noch mehr anschwellen ließ. Die Großeltern waren sichtlich gerührt und freuten sich über den unverhofften ‚Reichtum‘. Als Willkommensgruß bot man uns ein Glas frische warme Kuhmilch an. Das war uns total unangenehm, wollten wir doch der Familie dies kostbare Getränk nicht noch wegtrinken. Ganz abschlagen durften wir dies jedoch auch nicht, schließlich sollte man den Menschen die Möglichkeit geben, sich auf irgendeine Weise bedanken zu können. So einigten wir uns auf ‚zweifingerbreit‘.
Mittlerweile hatte sich unser Besuch bei den Nachbarn herumgesprochen, so dass sich irgendwann um die 15 Leute zwischen Haus und Hütte drängten. Mit Tränen in den Augen und den Worten: „Rupesh hat keine Eltern mehr – jetzt seid ihr seine Mütter“ verabschiedete uns die Großmutter. Das gab mir dann den Rest… Corinna ging es nicht anders. Das muss man erst mal sacken lassen und verarbeiten!
Doch dazu hatten wir nicht allzu viel Zeit, denn wir wollten auch noch das Kinderhaus besuchen, das Corinna durch Spenden mit unterstützt hat. Nur Ben und Katie, unsere beiden Volontäre, wussten Bescheid, so dass wir auch hier die Kinder überraschen konnten. Sie waren schier aus dem Häuschen und freuten sich über die Süßigkeiten, die Corinna aus Deutschland für sie mitgebracht hatte.
Nach vielen Stunden waren wir wieder zurück in Kathmandu – erschöpft und aufgewühlt zugleich, von den vielen Eindrücken überwältigt, berührt und unendlich dankbar für das Glück, das wir heute mit den Menschen teilen konnten.
Auch Corinna hat nach ihrer Rückkehr in ihrem Blog über diesen so emotionalen Tag berichtet. Hier könnt ihr unsere Erlebnisse aus ihrer Sicht nachvollziehen.