Auch wenn die Diskriminierung der Mitglieder der verschiedenen Kasten in Nepal per Gesetz abgeschafft wurde, so ist das Festhalten an der alten Ordnung noch immer in den Köpfen der Menschen verankert. Das bedeutet, dass Ehen immer nur innerhalb der eigenen Kaste geschlossen werden sollten und sehr häufig arrangiert werden.
Aryas Eltern stammen aus unterschiedlichen Kasten. Sie haben aus Liebe geheiratet und damit den Unmut der Gesellschaft herausgefordert. Als das erste Kind der Familie tot geboren wurde, warf man den jungen Eltern vor, dass dies die Strafe der Götter ist. Die zweite Tochter, Arya, kam mit einer Behinderung auf die Welt. In den Augen der Gesellschaft war das ein weiterer Beweis dafür, dass die Ehe der Eltern ein Fehler war.
Leider hielt die Ehe dieser zusätzlichen Belastung nicht stand. Aryas Vater verließ Frau und Kind und überließ die beiden einer ungewissen Zukunft.
Obwohl Arya erst zwei Jahre alt ist, hat sie schon einen langen Leidenweg hinter sich. Bei ihr wurde eine Entwicklungsdysplasie der Hüfte diagnostiziert. Aryas Mutti hat kaum genug Geld, um für sich und ihre kleine Tochter den Lebensunterhalt zu sichern, geschweige denn für medizinische Hilfe.
In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an unsere Partnerorganisation MeRO. (https://www.meroshelter.org/index.html) Diese Organisation betreibt ein kleines Krankenhaus in Kathmandu und vereint Ärzte, Krankenschwestern, Biomedizintechniker und Sozialarbeiter. MeRO wird ausschließlich über Spenden finanziert und wurde bereits mehrfach für seine Arbeit und Fachkenntnis ausgezeichnet.
Da kein Geld für eine Operation zur Verfügung stand, wurde die Behandlung mit einer 3-wöchigen Hüfttraktion eingeleitet. Das bedeutet, dass Aryas Gelenke mit Schlingen fixiert und durch Gewichte in eine normale Stellung gebracht wurden. Leider brachte diese Behandlung nicht das gewünschte Ergebnis. In der Zwischenzeit kamen einige Spenden zusammen, so dass eine Operation durchgeführt werden konnte, bei der Aryas Hüftgelenk mit Pins fixiert wurde. Es folgte eine 3wöchige postoperative Behandlung. Zum zweiten Mal musste sich die kleine Arya einer Hüfttraktion unterziehen, dieses Mal knapp 7 Wochen. Unvorstellbar, welche Tortur das Mädchen durchleiden musste. Leider schlugen auch alle diese Bemühungen fehl.
Der behandelnde Arzt sah nur noch eine Möglichkeit, dem tapferen Mädchen zu helfen – eine umfangreiche Operation mit Implantatfixierung. Die unmittelbaren Kosten für solch eine OP belaufen sich auf über 2500 Euro. Dazu kommen noch Kosten für Medikamente, Verbandsmaterial und Physiotherapie – Geld, welches nicht da war.
Zu dieser Zeit war meine Nepal-Freundin Corinna vor Ort und hielt mich über den Stand der Dinge auf dem Laufenden.
Vor einem Jahr signalisierte mir Christian Sachse aus meiner Heimatstadt Wilthen, dass er gern ‚Hope for Nepal‘ eine größere Summe zur Verfügung stellen würde. Der ursprüngliche Plan war eine gemeinsame Reise nach Nepal, um vor Ort entscheiden zu können, wo das Geld am sinnvollsten eingesetzt werden kann. Aufgrund der pandemiebedingten Unsicherheiten bei der Reiseplanung kam diese Reise bisher nicht zustande.
Christian unterstützt schon seit vielen Jahren unser Projekt und hat in dieser Zeit großes Vertrauen in meine Arbeit gewonnen. Als ich ihm vom Schicksal der kleinen Arya erzählte, sagte er sofort seine Unterstützung zu. Nur wenige Tage später war die Spende unterwegs nach Nepal, wo sich Corinna zusammen mit unserem Freund Samrat, dem Gründer des Therapiezentrums, um die Organisation der Operation kümmerten.
Da Arya sehr klein ist, gab es von Anfang an Bedenken, ihr diese umfangreiche Operation zuzumuten. Deshalb konsultierte Samrat erneut Dr. Bibek Banskota vom HRDC-Krankenhaus, um nach eventuellen Alternativen zu suchen. Diese gab es leider nicht, die OP ist die letzte Option.
Da Dank Christians Spende die Kosten der Operation gedeckt wurden und Arya im HRDC-Hospital in guten Händen war, konnte das Ärzteteam zeitnah mit der aufwendigen OP beginnen. Diese verlief glücklicherweise ohne Komplikationen. Im Anschluss wurde der gesamte Beckenbereich großräumig eingegipst, damit die Knochen in richtiger Position fixiert und so die Wunden ausheilen können. Was für eine unvorstellbare Tortur für das kleine Mädchen!
Mittlerweile hat sich die kleine Kämpferin gut von den Strapazen erholt und sich an den Gips gewöhnt. Wenn es weiterhin so gut läuft, wird der Gips in 2-3 Wochen entfernt. Dann wird Arya laufen lernen!
Ich gebs zu, während ich das schreibe, kullern mir grad paar Tränen runter… vor Mitgefühl und Dankbarkeit.
Danke von Herzen, lieber Christian, dass Du Arya ein neues Leben geschenkt hast!